RP-Denkanstoß vom 23. Juli 2021
Ovationen erhielt am vergangenen Samstag der Schauspieler Lars Eidinger für seine Titelrolle im „Jedermann“. Im Salzburger Großen Festspielhaus mussten die Zuschauer die Neuinszenierung durch den Regisseur Michael Sturminger erleben, denn aufgrund des Dauerregens konnte die Premiere nicht wie üblich auf dem Domplatz stattfinden. Seit nun 101 Jahren gehört dieses Mysterienspiel von Hugo von Hofmannsthal zum festen Bestandteil der Festspielwochen und hat in dieser Zeit schon manchen großen Schauspieler als „Jedermann“ Kommen und Gehen sehen. Dabei kann man den Inhalt des Stückes fast in einem Satz zusammenfassen: mitten in einem verschwenderischen Festbankett bittet der Tod den reichen Herrn Jedermann zum letzten Tanz.
Zur selben Zeit haben in unserem Land und in unserem Bistum viele Menschen mit den grausamen Folgen der verheerenden Flutkatastrophe gekämpft. Was sich bis dahin niemand hat vorstellen können, war Wirklichkeit geworden. Starkregen und Niederschlagsmengen in Monatsgrößen binnen kürzester Frist hatten Hausrat und Häuser, Autos und Straßen, Existenzen und Menschenleben mit sich gerissen; und sie haben ein solches Zerstörungspotential gezeigt, dass man wirklich kaum mehr Worte dafür findet.
Selbstverständlich müssen wir angesichts solcher Naturgewalten zusammenstehen, müssen wir helfen und unterstützen, miteinander anpacken und füreinander beten. Selbstverständlich gilt es aus dieser Katastrophe die richtigen Lehren zu ziehen, müssen wir Vorsichtsmaßnahmen ausbauen und den Zivilschutz modernisieren. Selbstverständlich müssen wir unseren Lebensstil verändern und damit den Klimawandel eindämmen. Aber vielleicht sollten wir wie unser Herr Jedermann vor allem neu lernen, dass das Leben mehr als ein rauschendes Festbankett ist. In einem Interview verriet Lars Eidinger eine Einsicht, die ihm die Probearbeit geschenkt hat und bekennt, dass das, was ihm wirklich Angst macht: „… gar nicht der Tod am Ende des Lebens ist, sondern der Tod in jedem Moment. Weil mit dem muss man leben.“ Damit bestätigt er, was schon Goethe unnachahmlich formulierte: „Und solang du das nicht hast, / dieses: Stirb und werde! / bist du nur ein trüber Gast / auf der dunklen Erde.“ Das könnte die vornehmste und wichtigste Lehre der Flutkatastrophe sein, dass wir erkennen, Leben lebt immer mit dem Tod und daran können weder Technik, noch Medizin und auch keine Versicherungen etwas ändern! Wo wir uns heute noch als Glückskinder wähnen, weil uns das Wasser verschont hat, können uns morgen schon Sturm, Dürre, Hagelschlag, Erdbeben und Feuer treffen. Aber als Gotteskinder wissen wir um den wahren Schutz, den jedermann von uns tagtäglich braucht, Gottes Liebe! Denn sie zeigt uns, dass wir zueinander gehören und füreinander verantwortlich sind. Und sie verspricht uns eine Treue, die durch keinen Tod und keine Sintflut fortgespült werden kann. Sie ist verlässlich wie der Bogen am Himmel, wenn die Sonne auf den Regen trifft.
Klaus Hurtz, Pfarrer von St. Marien und vom Trostraum St. Josef, Grabeskirche
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