„´s ist Krieg! ´s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, / Und rede Du darein! / ´s ist leider Krieg – und ich begehre, / Nicht schuld daran zu sein!“ Die Engel Gottes ruft Matthias Claudius in seinem Gedicht „Kriegslied“ (1778) um Hilfe an, denn er weiß, welche Opfer jeder Krieg kostet, wieviel Elend und Leid, wieviel Verzweiflung und Trauer er über die Menschen bringt. Und indem Claudius das lyrische Ich auflisten lässt, unter welchen Gewissensqualen es leiden würde, wenn es schuld an diesem Kriege wäre, bezieht er eindeutig Stellung und führt den wirklich Mächtigen vor Augen, wie fürchterlich, wie schrecklich, wie Menschen verachtend ihre Kriege sind.
Vor fast zweihundertfünfzig Jahren ist diese Kriegsklage geschrieben worden, doch scheint sie aktueller denn je. Denn selbst die beiden Weltkriege des vorigen Jahrhunderts haben es nicht vermocht, Krieg als Mittel der Politik zu ächten. Seit 1945 hat es weltweit immer wieder Kriege gegeben und seine blutige Spur führt auch ins 21. Jahrhundert hinein. Man kann die Bilder der Zerstörung und Vernichtung, des himmelschreienden Elends und des brutalen Todes kaum mehr sehen, und möchte schier am Menschen verzweifeln. Denn immer wieder steht das Böse in einer seiner Masken auf, sei es blinder Fanatismus oder eitle Geltungssucht, sei es Machtgier oder Vernichtungswut.
Wie kann man sich vor diesen Dämonen der Zerstörung schützen? Es mag manche Antworten geben; mir scheint, dass ein wichtiger Fingerzeig uns der November geben kann. Mit den Festen Allerheiligen und Allerseelen öffnet er seine Pforten und ermutigt uns, unsere Verbundenheit mit den Toten zu vertiefen. Wir sind eingeladen, unsere Verstorbenen mit einem Besuch ihrer Gräber zu ehren, sie im Gebet der Liebe Gottes anzuvertrauen und nicht zuletzt, mit ihnen stille Zwiesprache zu halten. Wo wir auf diese Weise ihnen nahe sind, da helfen sie auch uns. Sie zeigen uns, woher wir kommen, und damit lernen wir, uns selber besser zu erkennen. Sie zeigen uns, wie einzigartig und kostbar jedes Leben auf Erden ist, und damit können wir es besser ergreifen. Sie zeigen uns, wohin wir alle einst gehen, und damit können wir besser die richtigen Wegweiser finden.
Es gibt das gute Wort: „Die Lebenden schließen den Toten die Augen, während die Toten den Lebenden die Augen öffnen.“ Lassen wir es zu! Lernen wir von unseren Toten! Wie auch der große Dichter Matthias Claudius hat keiner von uns die Möglichkeiten oder Mittel, Kriege zu beenden; aber wie er kann jeder von uns für eine friedlichere Welt eintreten.
Klaus Hurtz
RP-Denkanstoß vom 3. November 2023
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