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AutorenbildPfarrei St. Marien

Gott ist bei uns - Denkanstoß vom 29. Dezember 2023



Der Brief ist datiert auf den 19. Dezember 1944, in ihm erhält Maria von Wedemeyer von ihrem Verlobten „als Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister“ „ein paar Verse“, die an „den letzten Abenden“ entstanden sind. Der Autograph ist noch erhalten und zeigt, dass der Verfasser die einzelnen Strophen durchnummeriert hat, wohl um die richtige Reihung zu gewährleisten. Bereits wenige Tage später zum Fest erstellt Maria von Wedemeyer für den Familienkreis einige Kopien. Damit schafft sie die Grundlage für eine beispiellose Rezeption, denn dieser private Weihnachtsgruß sollte von nun an immer mehr zum Allgemeingut werden. Heute fehlt dieses Gedicht in keinem Gesangbuch, in keiner Anthologie, mehr noch, es ist in den Herzen unzähliger Menschen präsent. Mit seinen Versen. „Von guten Mächten“ hat der große evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer uns allen ein wahres Weihnachtsgeschenk gemacht.


Es mag dafür verschiedene Gründe geben. Für mich ist es vor allem die Beglaubigung des Gedichtes durch das gelebte Zeugnis des Dichters! Denn Bonhoeffer hat diese Verse gleichsam mit gefesselten Händen, aber mit Blick auf das Kind zu Bethlehem geschrieben. Seit dem 5. April 1943 saß er, weil er zum Widerstand gehörte, in verschiedenen Gefängnissen, wie auch sein Bruder und zwei Schwäger. Nur das hauchdünne Fädchen von geringem, dabei immer kontrollierten, Briefverkehr verband ihn noch mit der Außenwelt. Dass sein Leben generell an einem seidenen Faden hing, war Bonhoeffer mehr als bewusst. In dieser schrecklichen Unbehaustheit gleichwohl verlässliche Geborgenheit zu erfahren, gegen diese Machthaber des Bösen auf die guten Mächte des Himmels zu vertrauen, in dieser absolut trostlosen Lage um den stärkenden Trost zu wissen und ihn zu empfangen, das zeugt von einem Glaubensmut, der jeder Leserin und jedem Leser wiederum Ermutigung schenkt. Wo Mut ist, da ist Hoffnung auf Zukunft hin, und so wandelt sich der Weihnachtsgruß in ein Gedicht zum Jahreswechsel: „so will ich diese Tage mit euch leben / und mit euch gehen in ein neues Jahr.“ Wenige Tage vor Kriegsende wurde Bonhoeffer auf Befehl von höchster Stelle aufgehängt.


Das Jahr 2024 steht vor der Türe, und wir wissen, dass viele Herausforderungen und Nöte auf uns warten. Aber wo ist unser Glaubensmut? Wo sind unsere Weihnachtserfahrungen, die sich in Zukunftshoffnungen verwandeln? Unsere Hände sind nicht gefesselt, und wir leben nicht im Gefängnis, kein Galgen bedroht uns. Doch mir scheint, wir sind gelähmt und gebannt, hoffnungslos und handlungsunfähig. Dabei bleiben doch die Worte wahr: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, / erwarten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Wenn es ökumenisch nicht übergriffig wäre, würde ich rufen: „Heiliger Bonhoeffer, bitte für uns!“


Klaus Hurtz, Pfarrer in St. Marien und am Trostraum St. Josef, Grabeskirche

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